Lehrveranstaltungen vergangener Semester:
Ludwig-Maximilians-Universität München

Proseminar: Einführung in die mittelalterliche Bedeutungskunde (WS 2006/07)

Die mittelalterliche Bedeutungskunde widmet sich der Erforschung der allegorischen Zeichenhaftigkeit der Welt im Mittelalter. Das Seminar will sowohl in die theoretischen Grundlagen einführen als auch mit Formen und Funktionen der dichterischen Umsetzung mittelalterlichen Bedeutungsdenkens bekannt machen. In der ersten Semesterhälfte wird zunächst ein methodisches Instrumentarium entwickelt. Im Mittelpunkt der zweiten Semesterhälfte steht die literarische Umsetzung und Nutzung mittelalterlicher Bedeutungskunde. Anhand ausgewählter Beispiele aus der mittelhochdeutschen Epik und Lyrik werden Möglichkeiten der Interpretation diskutiert.

Literatur: H. Fromm, W. Harms, U. Ruberg (Hrsg.): Verbum et Signum. Beiträge zur mediävistischen Bedeutungsforschung. Studien zur Semantik und Sinntradition im Mittelalter. 2 Bde. München 1975; F. Ohly: Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977, einführend hier: ›Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter‹, S. 1–31; Lexikon des Mittelalters I (1980), S. 420–427 s.v. ›Allegorie‹ R. Suntrup: Artikel ›Allegorese‹ in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, hg. v. K. Weimar, 1, Berlin / New York 1997, S. 36–40.


Proseminar: Einführung in die Denkform der Typologie in mittelalterlicher Literatur (SS 2007)

Typologisches Denken ist Ausdruck eines allgemeingültigen historischen Wiederholungsprozesses und tritt zu verschiedensten Zeiten und in den verschiedensten Kulturen auf. Es ist eine Form des Analogiedenkens, welches in jüngster Zeit auch interdisziplinär wieder in das Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. »Typologie« ist ein Schlüsselbegriff des christlichen Geschichts- und Weltverständnisses und eine Denkform des Mittelalters, die in weite Bereiche des Lebens gewirkt hat. In diesem Modell der Bezugsetzung zur Vergangenheit stehen zwei Größen zueinander in einer Ähnlichkeitsrelation, zugleich aber auch in einem Steigerungsverhältnis. Mittelalterliche Literatur und Kunst sind in hohem Maße von typologischen Strukturen geprägt. So werden z.B. Phänomene wie der »doppelte Kursus« im klassischen Artusroman oder die Elternvorgeschichten der Helden, die ihre Eltern dann positiv oder negativ übertreffen, der typologischen Denkform zugeordnet.

Das Seminar will die theoretischen Grundlagen und historischen Bedingungen dieser Denkform erarbeiten und mit den verschiedenen Formen und Funktionen typologischer Strukturen in mittelalterlicher Literatur bekannt machen. Anhand ausgewählter Beispiele werden Möglichkeiten der Interpretation diskutiert.

Literatur: F. Ohly: Synagoge und Ecclesia. Typologisches in mittelalterlicher Dichtung (1966). S. 312–337; ders.: Außerbiblisch Typologisches zwischen Cicero, Ambrosius und Aelred von Rievaulx (1976), S. 338–360; ders.: Halbbiblische und außerbiblische Typologie (1976), S. 361–400. Alle in: F. Ohly: Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977; H.J. Spitz: Typologie (Wörterbuch der Symbolik, hg. v. M. Lurker, Stuttgart 1979, S. 569–598); R. Suntrup: Zur sprachlichen Form der Typologie. In: Geistliche Denkformen in der Literatur des Mittelalters, hg. v. K. Grubmüller u.a., München 1985, S. 23–68; P. Michel: Übergangsformen zwischen Typologie und anderen Gestalten des Textbezugs. In: Bildhafte Rede im Mittelalter und früher Neuzeit, hg. v. W. Harms und u.a., Tübingen 1992, S. 43–73; V. Bohn (Hg.): Typologie. Internationale Beiträge zur Poetik, Frankfurt a.M. 1988; M. Bachmann, K. Gloy: Das Analogiedenken. Vorstöße in ein neues Gebiet der Rationalitätstheorie, Frankfurt a.M. 2000.


Proseminar: Allegorien des Mittelalters. Allegorie und Allegorese in deutschen Texten des Mittelalters (WS 2007/08)

Die Allegorie bildet einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis eines spezifisch mittelalterlichen Denkens in Analogien. Aufgrund eines anderen Modells von Wirklichkeit setzt sie auf Symbolisierung durch das Sinnbild anstatt auf mimetische Darstellung durch das Abbild und ist so die eigentliche Alternative zu allem Realismus. Bis ins 18. Jahrhundert hinein, war die Allegorie in allen europäischen Ländern als kulturelles Zeichensystem verständlich.

Im Mittelalter begegnet die Allegorie in vielfältigen Formen: In der bildenden Kunst und Literatur tritt sie häufig in Form der Personifikation auf. In Zusammenhang mit der christlichen Dogmatik entstehen zahlreiche neue Allegorien, die in unzähligen Varianten erscheinen. Zwar wurde im Mittelalter keine eigene Theorie allegorischer Dichtung formuliert, dennoch bilden sich einige Modelle und Traditionen heraus: die Queste oder Suche, der Kampf oder die Erstürmung einer Burg, die Jagd, das Schachspiel und Gerichtsverhandlungen. Die Verfasser entwickeln aber auch die verschiedensten Methoden, die Dichtung vereinzelt mit allegorischen Elementen zu durchsetzen; so finden sich z.B. allegorische Auslegungen von Farben, Pflanzen, Edelsteinen oder Gebäuden. Seit der Philologie der Antike ist die Allegorie nämlich auch ein Verfahren der Textauslegung; mythologische und heilige Texte wurden als Allegorien gelesen und entschlüsselt, und seit der frühchristlichen Bibelexegese ist die allegorische Bedeutung eine Dimension der Lehre vom sogenannten vierfachen Schriftsinn; in den mittelalterlichen Bibelkommentaren umgreift sie als hermeneutisches Auslegungsprinzip die ganze Exegese. Auch dieser Aspekt der Allegorie als exegetische Methode, die Allegorese, führte dazu, dass die Allegorie die größte Bedeutung für das Geistesleben des Mittelalters erhielt.

Das Seminar wird in die verschiedenen Formen von Allegorie und Allegorese in mittelalterlicher Literatur einführen und sich auch mit der einschlägigen theorethischen Literatur auseinandersetzen.

Literatur: H. Brinkmann: Mittelalterliche Hermeneutik, Tübingen 1980; H. Freytag: Die Theorie der allegorischen Schriftdeutung und die Allegorie in deutschen Texten bes. d. 11. und 12. Jahrhunderts, Bern, München 1982; H. Fromm / W. Harms / U. Ruberg (Hg.): Verbum et Signum. Beiträge zur mediävistischen Bedeutungsforschung. Studien zur Semantik und Sinntradition im Mittelalter, 2 Bde., München 1975; W. Harms/K. Speckenbach (Hg.): Bildhafte Rede in Mittelalter und früher Neuzeit. Probleme ihrer Legitimation und ihrer Funktion, Tübingen 1992; G. Kurz: Metapher, Allegorie, Symbol, Göttingen 1988; H. de Lubac: Exegese medievale. Les quatres sens de l’écriture. 4 Bde. 1959–64; Ch. Meier: Überlegungen zum gegenwärtigen Stand der Allegorieforschung, mit besonderer Berücksichtigung der Mischformen, in: Frühmittelalterliche Studien 10 (1976), S. 1–69; Diess: Zum Problem der allegorischen Interpretation, in PBB 99 (1977), S. 250–296; F. Ohly: Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977; Art. ›Allegorie‹ in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1 (1980), S. 420–427; H.J. Spitz: Die Metaphorik des geistigen Schriftsinns. Ein Beitrag zur allegorischen Bibelauslegung des ersten christlichen Jahrtausends, München 1972; R. Suntrup: Art. ›Allegorese‹ in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, hg. v. K. Weimar, 1, Berlin / New York 1997, S. 36–40.


Proseminar: Einführung in mittelalterliche Denkformen und Geschichtskonzepte (SS 2008)

Dieses Seminar will eine erste Einführung in mittelalterliche Denkformen und Geschichtskonzepte geben. Folgende Aspekte stehen dabei im Mittelpunkt: das Analogiedenken, Allegorie und Typologie, Exempel, Fabel und Sprichwort, das heilsgeschichtliche Geschichtskonzept sowie Begriff und Konzept der Fortuna und der Aventiure.

Wer mittelalterliche Texte liest oder Bilder aus dieser Epoche betrachtet, stößt immer wieder auf Phänomene, die fremd erscheinen. Denkformen, die damals Gültigkeit hatten, sind heute nicht mehr unmittelbar verständlich, und Kategorien, an denen wir uns heute orientieren, hatten damals keine Geltung. Eine große Rolle spielte im Mittelalter das Analogiedenken, ein Denken und Verstehen, das die Welt und ihre Phänomene nicht durch kausale Verknüpfungen, sondern anhand von Ähnlichkeiten wahrzunehmen versucht. Nicht nur der mittelalterlichen Symbolik liegt dieses Denken zugrunde, auch Allegorie und Typologie stellen verschiedene Ausprägungen des Analogiedenkens dar. Ein wichtiger Aspekt ist auch, daß stets nach einer Lehre gesucht wurde. Es herrschte das Bedürfnis, jeden historischen oder literarischen Fall zu einem moralischen Exempel, jeden Ausspruch und jede Meinung zu einer Sentenz oder einem Sprichwort zu verdichten. Ähnlich wie bei den typologischen Bezugnahmen wurden dabei Zusammenhänge konstruiert; für jedes Ereignis fand sich immer der Spiegel eines moralisch ähnlichen Falles in der Heiligen Schrift, dem Mythos, der Geschichte, oder der Literatur.

Für das Verständnis der verschiedenen Denkformen ist die Kenntnis mittelalterlicher Geschichtskonzepte unerlässlich. Offenkundig wird dies vor allem in der Typologie, die eine Denkform der Geschichtsbetrachtung darstellt. Im Seminar werden daher auch grundlegende Entwicklungslinien des christlichen Zeit- und Geschichtsverständnisses erarbeitet. Durch Jahrhunderte herrschte Unsicherheit über die Stellung Fortunas in dem von Gott geordneten Universum. In Verbindung mit ihr steht auch das Konzept der Aventiure, das nicht zuletzt in den Artusromanen eine eminent wichtige Rolle spielt. Definiert wurde die Kategorie »Abenteuer« dabei erstmals um 1130 von Chrétien de Troyes. Im Begriff der »Aventiure« denkt der handelnde Mensch des 12. bis 13. Jahrhunderts seine Existenz zum ersten Mal grundsätzlich vom Wagnis und Lebensexperiment aus: Zufall, Risiko und das Fremde werden angenommen. Von allen Denkformen hat das Abenteuerdenken am entscheidendsten dazu beigetragen, die Welt in die Moderne zu verwandeln.

Literatur: A. J. Gurjewitsch: Das Weltbild des mittelalterlichen Menschen (1972), München 1980; F. Ohly: Typologie als Denkform der Geschichtsbetrachtung, in: Natur, Religion, Sprache, Universität. Universitätsvorträge 1982/83, Münster 1983, S. 68–102; Geistliche Denkformen in der Literatur des Mittelalters, hg. v. K. Grubmüller u.a., München 1985; W. Haug: Die Zwerge auf den Schultern der Riesen. Epochales und typologisches Geschichtsdenken und das Problem der Interferenzen, in: Epochenschwelle und Epochenbewusstsein, München 1987; E. Meyer-Landrut: Fortuna. Die Göttin des Glücks im Wandel der Zeiten, München 1997; M. Nerlich: Abenteuer oder das verlorene Selbstverständnis der Moderne, München 1997; Homo medietas: Aufsätze zu Religiosität, Literatur und Denkformen des Menschen vom Mittelalter bis in die Neuzeit, FS A. M. Haas. Bern u.a. 1999, S. 43–57; K. Gloy: Das Analogiedenken. Vorstöße in ein neues Gebiet der Rationalitätstheorie, Frankfurt a.M. 2000; U. Friedrich / B. Quast (Hrsg.): Präsenz des Mythos. Konfigurationen einer Denkform in Mittelalter und Früher Neuzeit. Dezember 2004.


Proseminar: Einführung in allegorische Bedeutungen von Zahlen, Tieren, Farben, Edelsteinen und Buchstaben im Mittelalter (WS 2008/09)

Gegenstand des Seminars sind die allegorischen Bedeutungen von Zahlen, Tieren, Farben, Edelsteinen und Buchstaben im Mittelalter und in mittelalterlicher Literatur. Das mittelalterliche Welt- und Naturverständnis muss in unmittelbarer Beziehung zum religiös geprägten Weltbild gesehen werden: Die Dinge und die Natur stehen nicht für sich, sondern sind Träger einer zweiten Sinnebene und Spiegel des unsichtbaren Schöpfers. Der mittelalterliche Mensch lebte in einer Welt, die voll war von Bedeutungen, Hinweisen und Doppeldeutigkeiten, in einer Welt, in der ein Löwe nicht nur ein Löwe, ein Diamant nicht nur ein Diamant und die Sieben nicht nur die Zahl selbst war. Mit dieser allegorischen Zeichenhaftigkeit der Welt im Mittelalter wollen wir uns in diesem Seminar befassen. Die mittelalterliche Literatur ist auf verschiedenste Weise mit allegorischen Elementen durchsetzt. Häufig finden sich allegorische Auslegungen von Edelsteinen, Farben, Pflanzen, Zahlen oder Bauwerken.

Im Seminar werden wir zunächst die wichtigsten Prinzipien mittelalterlicher Hermeneutik erarbeiten und ein methodisches Instrumentarium entwickeln, um das hermeneutisch-ästhetische System allegorischer Bedeutungen von Buchstaben, Zahlen, Tieren, Farben und Edelsteinen anhand ausgewählter mittelalterlicher Texte anwenden zu können. Behandelt werden u.a. der Physiologus, das Lapidarium des Marbod von Rennes, das Annolied, die Dichtung ›Vom himmlischen Jerusalem‹ sowie zahlreiche Passagen aus Epen aus der Zeit um 1200 (z.B. Erec, Iwein, Tristan, Parzival, Herzog Ernst). Vorschläge von Seminarteilnehmern sind jederzeit willkommen.

Literatur: Friedrich Ohly: Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977: Hennig Brinkmann: Mittelalterliche Hermeneutik, Darmstadt 1980; Heinz Meyer: Die Zahlenallegorese im Mittelalter. Methode und Gebrauch (Münstersche Mittelalter-Schriften 25), München 1975; Heinz Meyer / Rudolf Suntrup: Zum Lexikon der Zahlenbedeutungen im Mittelalter. Einführung in die Methode und Probeartikel: die Zahl Sieben, Frühmittelalterliche Studien 11 (1977), S. 1–72; Christel Meier: Gemma spiritualis. Methode und Gebrauch der Edelsteinallegorese vom frühen Christentum bis ins 18. Jahrhundert (MMS 34/1), Tl.1, München 1977; Ulrich Engelen: Die Edelsteine in der deutschen Dichtung des 12. und 13. Jahrhunderts, München 1978: Christel Meier und Rudolf Suntrup: Zum Lexikon der Farbenbedeutungen im Mittelalter. Einführung zu Gegenstand und Methoden sowie Probeartikel aus dem Farbenbereich »Rot«. In: Frühmittelalterliche Studien 21 (1987), S. 390–478; Klaus Schreiner: Litterae mysticae. Symbolik und Pragmatik heiliger Buchstaben, Texte und Bücher in Kirche und Gesellschaft des Mittelalters. In: Pragmatische Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur, hg. von Christel Meier, Rudolf Suntrup u.a., München 2002, S. 277–337; Umberto Eco: Kunst und Schönheit im Mittelalter. München 2000.


Proseminar: Einführung in die Edelsteinallegorese (SS 2009)

Das Seminar beabsichtigt eine umfassende Einführung in die mittelalterliche Edelsteinallegorese, deren Kenntnis von hoher Relevanz für das Verständnis mittelalterlicher Literatur und Kunst ist. Von großer Bedeutung für die mittelalterliche Tradition ist dabei insbesondere die Edelsteinschilderung in der Vision vom »Himmlischen Jerusalem« (Off. 21). Die mittelalterliche Allegorese und Dichtung (v.a. auch die Gralsdichtung) haben sich mit diesen Edelsteinen intensiv beschäftigt, ebenso auch die Sakralkultur und Architektur. Nicht nur Wolfram von Eschenbach schreibt den Edelsteinen im Parzival eine besondere Wirkung zu; hier ebenso wie in vielen anderen mittelhochdeutschen Epen haben sie darüber hinaus auch einen ganz besonderen Stellenwert für die ritterliche Elite.

Im Seminar erfolgt zunächst eine historische und methodische Grundlegung der Edelsteinallegorese; wichtige edelsteindeutende Werke und Lapidarien werden behandelt und einschlägige Forschungsliteratur und Lexika vorgestellt. Mit Hilfe des erworbenen methodischen Instrumentariums werden dann ausgewählte mittelalterliche Texte und zahlreiche Passagen aus Epen interpretiert (z.B. Parzival, Titurel, Willehalm, Erec, Tristan, Herzog Ernst etc.). Vorschläge von Seminarteilnehmern sind dabei jederzeit willkommen.

Literatur: Friedrich Ohly: Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977: Hennig Brinkmann: Mittelalterliche Hermeneutik, Darmstadt 1980; Christel Meier: Gemma spiritualis. Methode und Gebrauch der Edelsteinallegorese vom frühen Christentum bis ins 18. Jahrhundert (MMS 34/1), Tl.1, München 1977; F.Ohly: Diamant und Bocksblut. Zur Traditions- und Auslegungsgeschichte eines Naturvorgangs von der Antike bis zur Moderne, Berlin 1976; Ulrich Engelen: Die Edelsteine in der deutschen Dichtung des 12. und 13. Jahrhunderts, München 1978.


Proseminar: Einführung in die mittelalterliche Farbenallegorese (WS 2009/10)

Das Seminar beabsichtigt eine Einführung in die mittelalterliche Farbenallegorese, deren Kenntnis von hoher Relevanz für das Verständnis mittelalterlicher Literatur und Kunst ist. Die Farbenallegorese stellt seit jeher einen wichtigen Gegenstand der mittelalterlichen Bedeutungsforschung dar. Zudem ist das Thema – wie jüngst das 13. Symposium des Mediävistenverbandes »Farbiges Mittelalter« gezeigt hat – kulturgeschichtlich von hoher Aktualität und von zahlreichen Forschungsdesideraten geprägt.

Jacobus de Voragine betitelte seine bedeutende Sammlung von Heiligenlegenden mit Legenda aurea, also mit »Goldene Legende«. Wieso wählte er diesen Titel und die Farbe »Gold«? Auf den ersten Blick erscheint es naheliegend, für die Darstellung erhabener religiöser Werte das kostbare Edelmetall zu wählen. Doch obwohl man immer wieder auf die vielfältige Verwendung des Goldes im Mittelalter stößt, wissen wir tatsächlich nur wenig über die kulturgeschichtlichen Assoziationen, die konkreten Verwendungsmodi und Farbparadigmata der Farbe »Gold« im Mittelalter.

Die Verwendung der Farben in mittelalterlichen Texten und Bildern ist insgesamt vielschichtig und ambivalent. Insbesondere die Farbe Rot eröffnet dabei einen Einblick in die unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten von Farben.

Die Farbendeutung des Mittelalters ist im weitesten Sinne am ehesten zu charakterisieren mit dem Begriff repraesentatio. Sie ist von einer überindividuellen, gesellschaftsbezogenen deiktischen Natur. Die Bedeutungen von Farben gliedern sich im Mittelalter in komplexe Zeichensysteme ein, am wichtigsten sind dabei solche, die aus dem kirchlich-geistlich-theologischen Bereich stammen. Dieser Kosmos hatte einen wirkungsmächtigen Einfluss auch auf viele Gegebenheiten im profanen Bereich. Weil Farben eine Zeichenfunktion erfüllen, können sie beispielsweise den gesellschaftlichen Status einer Person visualisieren, Analogien zwischen Figuren herstellen oder deren Eigenschaften repräsentieren.

Im Seminar erfolgt zunächst eine historische und methodische Grundlegung der mittelalterlichen Farbenallegorese; dabei werden einschlägige Forschungsliteratur und Lexika vorgestellt. Mit Hilfe des erworbenen methodischen Instrumentariums werden dann ausgewählte mittelalterliche Texte sowie zahlreiche Passagen aus Epen interpretiert; analysiert wird dabei der jeweilige Einsatz und narrative Umgang mit den verschiedenen Farben, ihrer Bedeutung und Funktion (u.a. Physiologus; »Das himmlische Jerusalem« Bamberger Apokalypse; Nibelungenlied; Erec, Parzival, Tristan, Herzog Ernst, Legenda aurea etc.)

Literatur: Ohly: Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977: Hennig Brinkmann: Mittelalterliche Hermeneutik, Darmstadt 1980; Christel Meier und Rudolf Suntrup: Zum Lexikon der Farbenbedeutungen im Mittelalter. Einführung zu Gegenstand und Methoden sowie Probeartikel aus dem Farbenbereich »Rot«. In: Frühmittelalterliche Studien 21 (1987), S. 390–478; Umberto Eco: Kunst und Schönheit im Mittelalter. München 2000; www.farbiges-mittelalter.de.


Proseminar: Einführung in das mittelalterliche Analogiedenken (SS 2010)

Das Denken in Analogien ist für die abendländische Geistesgeschichte von überragender Bedeutung. Auch im Mittelalter spielte das Analogiedenken eine große Rolle; darunter versteht man ein Denken und Verstehen, das die Welt und ihre Phänomene nicht durch kausale Verknüpfungen, sondern anhand von Ähnlichkeiten wahrzunehmen versucht. Das Streben nach Erkenntnis mit Hilfe von Analogien war eines der philosophischen Hauptprinzipien der Zeit. Nicht nur dem mittelalterlichen Welt- und Naturverständnis, mit dem Paradigma der Mikrokosmos-Makrokosmos-Vorstellung liegt dieses Denken zugrunde, auch die mittelalterliche Symbolik fällt in diesen Rahmen. Einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis eines spezifisch mittelalterlichen Denkens in Analogie und Sinnbezügen stellen auch Allegorie und Typologie in Theologie, Literatur und darstellender Kunst dar.

Im Seminar erfolgt eine Einführung in dieser wichtige Denkform des Mittelalters. Ausgehend von ihren Ursprüngen bis hin zur Analogielehre Thomas von Aquins werden zunächst die theologischen und philosophischen Grundlagen dieser Denkform erarbeitet. Anhand zahlreicher mittelalterlicher Texte wird dann die Relevanz des Analogiedenkens für das mittelalterliche Naturverständnis, die mittelalterliche Allegorie, Allegorese und Typologie aufgezeigt. Desweiteren werden zahlreiche Beispiele aus der mittelhochdeutschen Dichtung herangezogen.

H. Höffding: Der Begriff der Analogie. Sonderausgabe. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1967; U. Eco: Kunst und Schönheit im Mittelalter, München 1993; H. Brinkmann; Mittelalterliche Hermeneutik, Darmstadt 1980; M. Behrens: Analogie und Mystik: ein philosophisch-theologisches Gespräch mit dem heiligen Johannes vom Kreuz. St. Ottilien: EOS-Verl., 2000; K. Gloy / M. Bachmann: Das Analogiedenken. Vorstöße in ein neues Gebiet der Rationalitätsheorie. Frankfurt 2000; H.G. Coenen: Analogie und Metapher: Grundlegung einer Theorie der bildlichen Rede. Berlin; New York: de Gruyter, 2002; R. Mattig: Symbole verstehen lernen: die Bedeutung von Mythos und Analogiedenken für die Symbolerziehung, Berlin 2003.


Proseminar: Der mittelalterliche Gralsmythos (WS 2010/11)

Das Motiv des Heiligen Gral, der Glaube an einen geheimnisvollen sakralen Gegenstand, in dem spezifische heilige Mysterien symbolisiert sind, taucht als allgemeines Faszinosum erstmals zu Ende des 12. Jahrhunderts in einer Reihe von Dichtungen verschiedener Volkssprachen des Mittelalters auf. Die Suche nach dem Gral, die in engem Bezug zur Artusthematik steht, entwickelt sich zu einem Mythos der europäischen Literatur, der bis heute innerhalb und außerhalb Europas wieder großes Interesse erweckt. Da Herkunft und Bedeutung des Wortes Gral bis heute nicht genau geklärt sind, ließ und lässt dies viel Spielraum für Spekulationen und Deutungen hinsichtlich seiner Gestalt: In Wolfram von Eschenbachs Parzival ist der Gral ein Stein von herausragender sakraler Bedeutung und von medizinischer und magischer Wirkung; in anderen Zeugnissen wurde und wird der Gral selbst aber auch als Abendmahlsschale, als Blut Christi, oder als Blutlinie des Erlösers definiert. Grals- und Parzivalmotive erscheinen seit dem 12. Jahrhundert in der mittelalterlichen Literatur und Kunst in vielerlei Variationen. Nach zunehmender Zahl der Gralsdichtungen im Mittelalter ebbte der inflationäre Gebrauch des Stoffes ab dem 15. Jahrhundert ab, bis der Schweizer Gelehrte Bodmer 1753 seinen Parzival publizierte. Im 19. Jahrhundert folgte Wagner mit seiner Oper Parsifal, auf die sich unter anderem auch Hitler bei seiner Suche nach dem Gral und der Bundeslade stützte. Der Gral, ein Erbstück des mittelalterlichen Europa, übt heute wieder hohe Anziehungskraft aus. Die Rezeption der Gralsthematik in Buch und Film nicht nur in Europa, sondern auch außerhalb Europas ist beachtlich. Besonders deutlich wird dies an Literatur, die regelmäßig neue spektakuläre Thesen zum Gral aufgreift; bekanntestes Beispiel ist Dan Browns Thriller The Da Vinci Code-Sakrileg, der 2003 in englischer und ein Jahr darauf in deutscher Sprache erschien. Die Verkaufszahlen sind beeindruckend: die Auflage im deutschsprachigen Raum beträgt knapp 5 Millionen; weltweit wurden 81 Millionen Bücher in 51 Sprachen verkauft.

Literatur: W. Golther: Parzival und der Gral in der Dichtung des Mittelalters und der Neuzeit, Stuttgart 1925; E. Jung / M.-L. von Franz: Die Gralslegende in psychologischer Sicht, Olten / Freiburg/Br. 1983; U. Müller: Zur Rezeption einzelner Stoffkreise. Der Artus- und Grals-Mythos, in: V. Mertens und U. Müller (Hrsg.): Epische Stoffe des Mittelalters, Stuttgart 1984; V. Mertens: Der Gral. Mythos und Literatur. Stuttgart 2003 (RUB, Bd. 18261); J. Matthews: Der Gral. Die Wahrheit hinter den Mythen, München 2006.


Proseminar: Einführung in das mittelalterliche Welt- und Naturverständnis (SS 2011)

Wer mittelalterliche Texte liest oder Bilder aus dieser Epoche betrachtet, stößt immer wieder auf Phänomene, die fremd erscheinen. Denkformen, die damals Gültigkeit hatten, sind heute nicht mehr unmittelbar verständlich und Kategorien, an denen wir uns heute orientieren, hatten damals keine Geltung.

Im Mittelalter spielte z.B. das Analogiedenken eine große Rolle, ein Denken und Verstehen, dass die Welt und ihre Phänomene nicht durch kausale Verknüpfungen und logische Ordnung erklärt, sondern anhand von Ähnlichkeiten wahrzunehmen versucht. Das Streben nach Erkenntnis mit Hilfe von Analogien war eines der philosophischen Hauptprinzipien der Zeit. Nicht nur dem mittelalterlichen Welt- und Naturverständnis und der mittelalterlichen Symbolik liegt dieses Denken zugrunde, auch Allegorie und Typologie stellen verschiedene Ausprägungen davon dar. Doch das mittelalterliche Welt- und Naturbild muss auch in unmittelbarer Beziehung zum religiös geprägten Weltbild gesehen werden. Die Natur wird als ein Spiegel aufgefasst, in dem der Mensch das göttliche Bild betrachten kann.

Dieses Seminar wird eine Einführung in das mittelalterliche Welt- und Naturverständnis geben. Folgende Aspekte stehen dabei im Mittelpunkt: das Analogiedenken, die Mikrokosmos-Makrokosmos-Lehre, die symbolisch-allegorische Weltsicht, Allegorie und Typologie sowie grundlegende Entwicklungslinien des christlichen Zeit- und Geschichtsverständnisses. Die verschiedenen Schwerpunkte werden anhand ausgewählter mittelalterlicher Texte erarbeitet.

Literatur: F. Ohly: Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1958; H. Brinkmann: Mittelalterliche Hermeneutik, Darmstadt 1980, S. 52–73; U. Eco: Kunst und Schönheit im Mittelalter, München 1993; G. E. Solbach: Die mittelalterliche Lehre vom Mikrokosmos und Makrokosmos. Hamburg 1995; H. Brinkmann; Mittelalterliche Hermeneutik, Darmstadt 1980; K. Gloy / M. Bachmann: Das Analogiedenken. Vorstöße in ein neues Gebiet der Rationalitätsheorie. Frankfurt 2000; P. Dilg (Hg.): Natur im Mittelalter. Berlin 2003.


Einführungsseminar: Einführungskurs in die deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters (WS 2011/12)


Proseminar: Das Irdische und das Himmlische Jerusalem in der mittelalterlichen Literatur (WS 2011/12)

Irdisches und himmlisches Jerusalem sind die Pole, zwischen denen sich im Mittelalter Darstellungen der Stadt Jerusalem bewegen. Sie verknüpfen jüdische und christliche Geschichte und verschiedene Deutungen Jerusalems. Schon in der Bibel ist von zwei Jerusalem die Rede. Während sich die meisten Stellen im Alten Testament auf das irdische Jerusalem beziehen, ist die Vorstellung von einem Himmlischen Jerusalem vornehmlich im Neuen Testament (Off. 21) ausgeführt. Von den alttestamentarischen Propheten, den frühjüdischen Apokalyptikern und der endzeitlichen Sicht Christi beeinflusst, setzte das junge Christentum dem irdischen Jerusalem ein himmlisches gegenüber, dessen Kommen die Heilsgeschichte erfüllen sollte: Nach dem Kampf gegen den Satan und Antichrist, dem Weltgericht und dem Untergang der alten Welt, folgt eine göttliche neue Welt, die der Seher Johannes in einer Vision aus dem Himmel herabkommen sieht. Hier gibt es keine Sonne und keinen Mond mehr; Gold, Perlen, zwölf Edelsteine und allgegenwärtiges göttliches Licht erleuchten das himmlische Jerusalem. Aus allen Teilen der Welt kommen die Menschen durch 12 Tore in diese Welt, in der es kein Leid mehr geben und ewiger Frieden herrschen soll.

In der Auffassung des Christentums galt Jerusalem bis ins späte Mittelalter als Nabel der Welt. Jerusalem war der Ursprungsort der christlichen Kirche, durch Tod, Auferstehung und Himmelfahrt Christi das Zentrum der Heilsgeschichte und der Zielort des Christentums. Aus der Sicht des mittelalterlichen Menschen erstreckte sich der von Menschen bevölkerte, bekannte Teil der Erde von Gibraltar im Westen bis nach Kathay (China) im Osten. Südwärts drehte sich der afrikanische Kontinent bis hin zur Terra incognita. Im Mittelpunkt lag Jerusalem, die Stadt, um die sich alles drehte.

Was das irdische Jerusalem für die irdische Welt war, war das himmlische Jerusalem für die jenseitige Welt: Hoffnungsbild und Ziel. Die Vision vom Himmlischen Jerusalem ist ein zentraler Bestandteil von Apokalypsevorstellungen. Mit ihrer Licht-, Farb- und Zahlensymbolik ist sie von großer Bedeutung für die mittelalterliche Architektur, Ikonographie, Kunst und Literatur.

Anhand ausgewählter Text- und Bildzeugnisse werden wir uns im Seminar mit der Vorstellung und dem Motiv vom irdischen und himmlischen Jerusalem in der mittelalterlichen Kultur und Literatur auseinandersetzen.

Literatur: Konrad, R., Das himmlische und das irdische Jerusalem im mittelalterlichen Denken, in: Speculum historiale, FS für J. Spörl (1963), S. 523–540; Reske, H.F., Jerusalem caelestis – Bildformen und Gestaltungsmuster. Darbietung eines christlichen Zentralgedankens in der deutschen Dichtung des 11. und 12. Jahrhunderts, in: Göppinger Arbeiten zur Germanistik (95), hg. v. Müller, U. u.a.. Göppingen 1973; Kühnel, B., From the Earthly to the Heavenly Jerusalem. Representations of the Holy City in Christian art in the First Millenium (Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte. Supplementheft 42), Rom u.a. 1987; Markschies, C., Himmlisches und irdisches Jerusalem im antiken Christentum, in: M. Hengel u.a. (Hgg.), La Cité de Dieu / Die Stadt Gottes. Tübingen 2000, S. 303–350; Böcher, O., Das himmlische Jerusalem – Zur Wirkungsgeschichte, in: W. Zwickel: Edelsteine in der Bibel. Mainz 2002, S. 78–89.


Proseminar: Einführung in die mittelalterliche Architekturdeutung und Gebäudeallegorese (SS 2012)

Von großer Bedeutung für die mittelalterliche Architekturdeutung und Gebäudeallegorese sind Gebäude, die in der Bibel beschrieben werden: Bauwerke aus dem Alten Testament, wie die Arche Noah, die Stiftshütte des Moses und der Tempel Salomos, die nach Anweisung Gottes errichtet wurden, oder die in Visionen geschauten Bauwerke, wie die Tempelvision bei Ezechiel oder das Himmlische Jerusalem der Johannes-Apokalypse. All diese Bauten galten insofern als heilig, als sie dem Willen Gottes entsprachen und sie stellen auch die Grundlagen für die mittelalterliche Architekturallegorese bereit. Die biblischen Bauwerke wurden im Mittelalter nicht nur als Präfigurationen des Kirchengebäudes gedeutet, es gibt darüberhinaus vom 6. bis ins 17. Jahrhundert auch eine reiche Tradition der Allegorese von biblischen Gebäuden.

Auch in der deutschen Dichtung des Mittelalters lassen sich bestimmte Traditionen der Allegorese von biblischen Bauwerken und der spirituellen Exegese des christlichen Kirchengebäudes nachweisen. Dies ist beispielsweise in Gottfried von Straßburgs sogenannter »Minnegrottenallegorese« im Tristan der Fall. Doch auch die Konstruktion des Gralstempels bei Albrecht von Scharfenberg steht in der Nachfolge der Exegese.

Scharfenberg hat um 1270 in seinem Jüngeren Titurel dargestellt, wie der Gralstempel nach dem Vorbild des Himmlischen Jerusalem und des Salomonischen Tempels erbaut wird. Die Angaben sind so detailliert, dass im 14. Jahrhundert zweimal der Versuch unternommen wurde, den Bau nachzubilden: im Bau des Klosters Ettal durch Ludwig den Bayern und in der Karlsburg von Prag durch Karl IV. Diese Beispiele mögen genügen, um die Relevanz der Exegese für die mittelalterliche Dichtung deutlich zu machen. Anhand ausgewählter Beispiele wollen wir uns im Seminar mit der Architekturdeutung und Gebäudeallegorese in der deutschen Dichtung des Mittelalters beschäftigen. Wir wollen untersuchen, welchen Traditionen diese folgt, wie sie sich in der mittelalterlichen Dichtung manifestiert und für welche Zwecke sie nutzbar gemacht wird.

Literatur: Julius Schwietering: Der Graltempel des Jüngeren Titurel, in: ZfdA 60, 1923, S. 118–127; Joseph Sauer, Symbolik des Kirchengebäudes, Freiburg i. Br. 1924 [Nachdruck: Münster 1964]); Heinrich Lichtenberg: Die Architekturdarstellungen in der mhd. Dichtung (Forschungen zur Deutschen Sprache und Dichtung 4), Münster 1931; Hans Sedlmayer, Allegorie und Architektur, in ders.: Epochen und Werke. Gesammelte Schriften zur Kunstgeschichte 2, Wien-München 1960, S. 235–248; Ranke, Friedrich: Die Allegorie der Minnegrotte in Gottfrieds Tristan, in: Gottfried von Straßburg, hg. von Alois Wolf, Darmstadt 1973 (Wege der Forschung), S. 13–30; Friedrich Ohly: Die Kathedrale als Zeitenraum. In ders.: Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977, S. 171–273; Jan A. Aertsen / Andreas Speer: Raum und Raumvorstellungen im Mittelalter: 30. Kölner Mediaevistentagung vom 10. bis 13. September 1996 in der Universität zu Köln, Band 25 von Miscellanea mediaevalia, Verlag Walter de Gruyter, München 1998; Walter Haug: Gebet und Hieroglyphe: zur Bild- und Architekturbeschreibung in der mittelalterlichen Dichtung, in ders.: Strukturen als Schlüssel zur Welt, Tübingen 1998, S. 110–125; Steffen Brokmann: Die Beschreibung des Gralstempels in Albrechts »Jüngerem Titurel«, Bochum 1999; Arwed Arnulf: Architektur- und Kunstbeschreibungen von der Antike bis zum 16. Jahrhundert, Kunstwissenschaftliche Studien 110, München und Berlin 2004.


Proseminar (Neuere deutsche Literatur): Carry Brachvogel (1864–1942) – eine Münchner Schriftstellerin und Frauenrechtlerin des frühen 20. Jahrhunderts im Kontext der Münchner Frauenbewegung (SS 2012)

Die jüdisch-bayerische Schriftstellerin Carry Brachvogel war eine herausragende Frauengestalt ihrer Zeit, modern, fortschrittlich und emanzipiert. Um die Jahrhundertwende bis Anfang der 30er Jahre spielte sie nicht nur eine wichtige Rolle in der damaligen Frauenszene und Frauenbewegung, sondern vor allem auch im gesellschaftlich-kulturellen Leben Münchens.

Zusammen mit Emma Haushofer-Merk gründete sie 1913 den Verein Münchner Schriftstellerinnen, dessen Mitglieder sich u.a. verpflichteten, ihre Arbeiten nicht unter Wert oder kostenlos anzubieten. Zu ihm gehörten bald bekannte Persönlichkeiten wie Ricarda Huch, Annette Kolb, Helene Böhlau, Else Bernstein und Isolde Kurz, aber auch männliche Mitglieder wie Rainer Maria Rilke und Ernst von Wolzogen. Carry Brachvogels literarischer Salon am Siegestor war in den 20er Jahren ein Zentrum des kulturellen Lebens der Stadt. Noch zu ihrem sechzigsten Geburtstag 1924 feierte man die erfolgreiche Schriftstellerin und Oberbürgermeister Karl Scharnagl gratulierte persönlich. Jahre später zählte nur noch, dass sie Jüdin war. 1933 wurde sie aus dem von ihr gegründeten Schriftstellerinnen-Verein ausgegrenzt und letztendlich 1942 mit ihrem Bruder, dem Historiker und Mediävisten Prof. Dr. Siegmund Hellmann, nach Theresienstadt deportiert.

Carry Brachvogel war damals eine in Deutschland bekannte Schriftstellerin mit einem ganz persönlichen, unverwechselbaren Schreib- und Lebensstil. Sie hat zu ihrer Zeit um die 40 Werke veröffentlicht, historische Romane und Biographien, Novellen, Erzählungen, Legenden, Jugendbücher, zwei Bühnenstücke, einen Kriminalroman sowie zahlreiche Feuilletons über Oberbayern, München und deren Bewohner. Brachvogel hat sich als Münchnerin und Bayerin begriffen und mit ihrer Heimat voll identifiziert.

Neuauflagen der Werke Carry Brachvogels, die damals sehr verbreitet waren, sind nach dem Ende der Naziherrschaft nicht bekannt. Seit 1992 erinnert der Carry-Brachvogel-Salon in der Seidlvilla an die einstmals so bekannte Schriftstellerin. Im Seminar sollen verschiedene Werke Carry Brachvogels literaturwissenschaftlich erschlossen und im Kontext der Münchner Frauenbewegung betrachtet werden. Dabei soll auch der Frage nachgegangen werden, warum die Schriftstellerin heute vergessen ist. Das Seminar soll dazu beitragen, Carry Brachvogel ihren längst verdienten Platz in der Münchner Kultur- und Stadtgeschichte zu geben.


Einführungsseminar: Einführungskurs in die deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters (WS 2012/13)


Proseminar: Mittelalterliche Hermeneutik (WS 2012/13)

Die mittelalterliche Hermeneutik ist von immenser Bedeutung für das Verständnis der mittelalterlichen Literatur und Kultur. Nach herkömmlicher Auffassung ist die Hermeneutik, die (Kunst-)Fertigkeit des richtigen Verstehens und Auslegens von Texten. Die Hermeneutik des Mittelalters, die auf Augustinus beruht und zentrale Inhalte neuplatonischen Philosophierens verarbeitet, bildet bis zur systematischen Neurezeption der aristotelischen Philosophie ab der Wende zum 13. Jahrhundert den Kern des Nachdenkens über Bildung und Wissen(schaft), über ethische Fragen, den Status des Menschen in der Welt und seine Kultur, Möglichkeiten und Grenzen der Erkenntnis sowie über das Verhältnis von Rationalität und Glauben.

Obgleich die Hermeneutik nicht als eigenständige Disziplin reflektiert wurde, durchdringt sie alle Wissensgebiete. Der Weltzugang des Frühen Mittelalters und des Frühhochmittelalters ist ein hermeneutischer, insofern er darauf abzielt, die Erfahrungswirklichkeit auf eine geistig-geistliche Wirklichkeit hin auszulegen und von ihr her zu deuten. Die Geschichte des Verstehens von literarischen Texten im Mittelalter ist eng an das Verstehen und Auslegen biblischer Texte gebunden. In der Auseinandersetzung mit dem göttlichen Wort der Heiligen Schrift wurden alle hermeneutischen Fragen und Probleme verhandelt, die Geistes- und Kunstwissenschaften auch noch heute bewegen.

Im Mittelalter ging man von einer unendlichen Bedeutungsfülle der Offenbarung aus, die jedoch für Lehr- und Lernzwecke systematisch eingegrenzt werden musste (Lehre vom drei- oder vierfachen Schriftsinn). Die Schöpfung selbst sah man als materialisiertes Wort Gottes an, weshalb hermeneutische Verfahren auf die Betrachtung der Natur übertragen wurden.

Im Seminar werden wir uns mit dem mittelalterlichen Welt- und Naturverständnis, mit Geschichts- und Textdeutung, mit Typologie, Allegorie, Allegorese und dem mehrfachen Schriftsinn beschäftigen. Es führt ein in die Geschichte biblischen und nichtbiblischen Textverständnisses, gibt einen Überblick über die Verfahren der Naturallegorese und behandelt ausführlich die Relevanz für die Literatur und Kunst.

Literatur: Friedrich Ohly, Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977; H. Fromm, W. Harms, U. Ruberg (Hrsg.): Verbum et Signum. Beiträge zur mediävistischen Bedeutungsforschung. Studien zur Semantik und Sinntradition im Mittelalter. 2 Bde. München 1975; einführend hier: ›Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter‹, S. 1–31; Hennig Brinkmann, Mittelalterliche Hermeneutik, Darmstadt 1980; Lexikon des Mittelalters I (1980), S. 420–427 s.v. ›Allegorie‹; R. Suntrup: Artikel ›Allegorese‹ in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, hg. v. K. Weimar, 1, Berlin-New York 1997, S. 36–40.


Proseminar: Thomasin von Zerklaere (WS 2012/13)

Thomasin von Zerklaere schrieb Anfang des 13. Jahrhunderts das erste große Lehrgedicht des Mittelalters in deutscher Sprache, den Welschen Gast (10 Bücher, 14749 Verse). Es handelt sich hierbei um eine Tugendlehre, die für die höfischen
Kreise gedacht ist. Hof- und Zeitkritik durchziehen aber auch das ganze Werk. Thomasin verarbeitete zahlreiche zeitgenössische Werke über Ethik, Philosophie und die Artes liberales. Seine Morallehre leitet er weniger aus religiösen Grundsätzen, als aus kosmischen Gesetzmäßigkeiten ab. Der welsche Gast erfreute sich im Mittelalter großer Beliebtheit und war weit verbreitet. Es ist in zahlreichen Handschriften überliefert, die meist mit reichen Illustrationen versehen sind.Der enzyklopädische Charakter des Werkes und sein Ausgreifen in viele Wissensgebiete machen es zu einem kulturhistorisch wichtigen Dokument, anhand dessen im Seminar in Denk- und Lebensformen des Mittelalters eingeführt werden soll.

Literatur: Eva Willms, Thomasin von Zerklaere: Der welsche Gast: Text (Auswahl) – Übersetzung – Stellenkommentar. Berlin: Walter de Gruyter 2004; Ernst Johann Friedrich Ruff: Der wälsche Gast des Thomasin von Zerklaere. Untersuchungen zu Gehalt und Bedeutung einer mittelhochdeutschen Morallehre. Erlangen: Palm & Enke 1982.


Proseminar: Der Physiologus und die Physiologustradition in der mittelalterlichen Literatur (SS 2013)

Der Physiologus ist eine naturgeschichtlich-frühchristliche Schrift, deren Datierung zwischen dem 2. und dem 4. Jahrhundert schwankt und die auf verschiedenen vorchristlichen Traditionen fußt. In griechischer Sprache, wahrscheinlich in Alexandria entstanden, berichtet der Physiologus über ca. 50 reale und phantastische Tiere, Pflanzen und Mineralien und deutet diese allegorisch-symbolisch aus.

Der Physiologus war eines der im Mittelalter am weitesten verbreiteten Werke in Europa und hatte eine große Wirkung auf die bildende Kunst und Literatur des Mittelalters und der Neuzeit. Er bildet bis heute die Hauptquelle der christlichen Tiersymbolik und entfaltete die größte Wirkung im Bereich der christlichen Ikonographie. Bis heute ist er auch eine wichtige Quelle für die Erforschung der Bildsymbolik in Kirchen und Kathedralen und in illuminierten Handschriften des Mittelalters. Konkrete Bezugnahmen finden sich aber auch in zahlreichen geistlichen und weltlichen Texten des Mittelalters.

Deutsche Physiologi wurden bis zum 15. Jahrhundert aus dem Lateinischen übersetzt. Erhalten sind eine althochdeutsche und zwei frühmittelhochdeutsche Versionen aus dem 11./12. Jahrhundert, sowie einige Physiologi Theobaldi des 15. Jahrhunderts.

Im Seminar werden wir uns umfassend mit dem Physiologus und der Physiologustradition auseinandersetzen: mit seiner Überlieferung und Wirkung, den verschiedenen Fassungen, insbesondere den deutschen Physiologi bis zum 15. Jh., mit der Physiologus-Ikonographie und der Physiologus-Tradition in der mittelalterlichen Dichtung. Anhand zahlreicher Beispiele werden diese analysiert.Das Seminar ist insofern überdies auch praxisorientiert als im Seminar eine Physiologus-Führung für den Münchner Raum entwickelt werden soll. Darüberhinaus ist auch eine Exkursion anvisiert.

Literatur: Physiologus Griechisch/Deutsch, übersetzt und herausgegeben von Otto Schönberger. Reclam, Stuttgart 2001; Christian Schröder: Der Millstätter Physiologus. Text, Übersetzung, Kommentar. Würzburg 2005; F. Lauchert: Geschichte des Physiologus. Straßburg 1889; H. Menhardt: der Millstädter Physiologus und seine Verwandten. Klagenfurt. 1956; Nikolaus Henkel: Studien zum Physiologus im Mittelalter. In: Hermea NF 38 (1976).


Proseminar: Schicksal und Zufall im Mittelalter – Fortuna in mittelalterlichen Texten (WS 2013/14)

Im Seminar werden der mittelalterliche Begriff der Fortuna und die verschiedenen Konzepte, auf die man in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Texten trifft, vorgestellt und diskutiert. Damit zusammenhängend kommen auch die grundlegenden Konzepte des christlichen Zeit- und Geschichtsverständnisses zur Sprache; durch Jahrhunderte herrschte Unsicherheit über die Stellung Fortunas in dem von Gott geordneten Universum und im Konflikt zwischen göttlicher Vorsehung und Willensfreiheit. Implizit geht es dabei auch immer wieder um die Frage, ob der Lauf der Geschichte und der menschliche Lebensweg vorbestimmt sind und dem Schicksal unterliegen, oder dem Zufall.

Ausgehend von der Fortuna der Antike werden wir uns zunächst mit Boethius› Consolatio philosophiae befassen, da seine Darstellung der Fortuna von grundlegender Bedeutung für die mittelalterliche Konzeption des Fortuna-Begriffes in Theologie, Dichtung und bildender Kunst geworden ist. Wir werden uns dann mit verschiedensten Aspekten der mittelalterlichen Fortuna-Vorstellung befassen: mit Fortuna in der hochmittelalterlichen Geschichtsschreibung, mit Fortuna im Bildprogramm christlicher Kunst, mit der antithetischen Schreckensgestalt der Fortuna und ihren Bezügen zur Allegorie der Frau Welt, mit Fortuna in profaner Literatur, im Nibelungenlied, in den Carmina Burana und in den Artusromanen.

In Verbindung mit dem Fortuna-Begriff steht auch das Konzept der Aventiure, das nicht zuletzt in den Artusromanen eine eminent wichtige Rolle spielt. Im Begriff der »Aventiure« denkt der handelnde Mensch des 12. bis 13. Jahrhunderts seine Existenz zum ersten Mal grundsätzlich vom Wagnis und Lebensexperiment aus. Das Vertraute wird preisgegeben, Zufall und Risiko werden angenommen, in das Ungewisse und Fremde wird vorgedrungen. Das Abenteuerdenken hat entscheidend dazu beigetragen, die Welt in die Moderne zu verwandeln. Das Seminar endet mit einem Ausblick auf das Fortuna-Konzept in spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Literatur.

Literatur: Doren, Alfred, Fortuna im Mittelalter und in der Renaissance, in: Fritz Saxl, Vorträge der Bibliothek Warburg II. Vortäge, 1. Teil (1922/23), Berlin/Leipzig 1924, S. 71–144; Ebenbauer, A.: Fortuna und der Artushof – Bemerkungen zum Sinn der ›Krone‹ Heinrichs von Türlin, in: österreichische Literatur zur Zeit der Babenberger Vorträge der Lilienfelder Tagung. Wien 1977; Franken, G.C.: Fortuna in der ›Consolation‹ – Boethius, Alfred und Notger. Minneapolis, University of Minnessota Press 1982, S. 303ff.; Goetz, Hans W., Fortuna in der hochmittelalterlichen Geschichtsschreibung, in: Das Mittelalter 1,1 (1996), S. 75–89; Haug, Walter: aventiure in Gottfrieds von Straßburg »Tristan«. In: Festschrift für Hans Eggers. Hg. v. Herbert Backes (= Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 94, Sonderband). Tübingen 1972, S. 88–125. Wiederabgedruckt in: W.H.: Strukturen als Schlüssel zur Welt. Kleine Schriften zur Erzählliteratur des Mittelalters. Tübingen 1989, S. 557–582; Haug, Walter: O Fortuna. Eine historisch-semantische Skizze zur Einführung. In: Fortuna. Hg. v. W. Haug u. B. Wachinger. Tübingen: Niemeyer 1995. S. 1–22; Höltgen, K.J.: König Arthur und Fortuna. In: Anglia Bd. 75, Tübingen 1957, S. 33–54; Janota, Johannes, Fortuna vitrea, in: W. Haug/B. Wachinger (Hgg.), Fortuna .Tübingen 1995, S. 344–362; Kajanto, J.: Fortuna. In: Reallexikon für Antike und Christentum. Hg. v. Th. Klauser, Bd. VIII, Stuttgart 1969–1972, Sp. 182–197; Kirchner, G.: Fortuna in Dichtung und Emblematik des Barock, Tradition und Bedeutungswandel eines Motivs, Metzler Studienausgabe, Stuttgart 1970; Leeker, J.: Fortuna bei Macchiavelli – ein Erbe der Tradition, in: Romanische Forschung, Jahrgang 101, Heft 4, Frankfurt a.M. 1989, S. 407–432; Meyer-Landrut, Ehrengard: Fortuna. Die Göttin des Glücks im Wandel der Zeiten. München 1997; Nerlich, Michael: Abenteuer oder das verlorene Selbstverständnis der Moderne, München 1997; Schouwink, Wilfried, Fortuna im Alexanderroman Rudolfs von Ems. Studien zum Verhältnis von Fortuna und Virtus bei einem Autor der späten Stauferzeit (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik 212), Göppingen 1977; Swronek, Marianne: Fortuna und Frau Welt. Zwei allegorische Doppelgängerinnen des Mittelalters. Diss. Berlin 1964.